Alaskan Summer
- Mai 11, 2019
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- Urs Huebscher
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The Last Frontier – die letzte Grenze – nennen Bewohner Alaskas ihre Heimat nicht ohne Stolz. Denn obwohl mit rund 20 Prozent der Gesamtfläche grösster Bundesstaat der USA, leben hier an einem der letzten noch weitgehend unberührten Flecken unseres Planeten nur rund 700.000 Menschen.
Mühsam windet sich die Piper Navajo in den wolkenlosen Juni-Himmel über dem Denali-Nationalpark. Obwohl die Zeiger der Uhr schon auf 21 Uhr zukriechen, steht die Sonne noch hoch oben am Firmament. Erst kurz vor Mitternacht wird sie kurz hinter dem Horizont verschwinden, nur um gegen 3 Uhr wieder aufzutauchen. Sommer in Alaska.
Am Steuerknüppel der Maschine sitzt der deutschstämmige Andrew Herbert. Seinen Flugschein hat der 22-jährige Sonnyboy bereits im Teenageralter erworben. Noch vor dem Führerschein. Nicht ungewöhnlich in einer Region, in der viele Orte nur per Flugzeug oder Boot erreichbar sind – jeder fünfte Einwohner Alaskas hat deshalb eine Pilotenlizenz. Weltrekord.
In den Sommermonaten fliegt Andrew Touristen. Den Rest des Jahres ist seine Piper die Nabelschnur abgelegener Goldgräbercamps oder winziger Trappersiedlungen zur Zivilisation. Das macht das Leben im arktischen Outback teuer. Ein Gallone Milch kostet hier bis zu 36 Dollar.
Während die Maschine höherklettert, erstrecken sich unter uns die schroffen Felstürme der Alaska Range, nördlichster Ausläufer der Kordilleren. Über ihnen thront majestätisch der mächtigste Gipfel Nordamerikas: der 6.190 m hohe Denali. Die Flanken des zu der legendären Seven Summits zählenden Felsmassivs ragen bis zu 5.500 m über die umliegende Landschaft auf und machen den Denali damit zu einem der markantesten Berg der Welt, imposanter noch als der Mount Everest. Gleichzeitig ist er einer der klimatisch extremsten Gipfel der Erde. Und da sich der Denali zudem oft in undurchdringliche Wolkenschleier und geheimnisvolle Dunstschwaden hüllt, erlebt nur eine Handvoll Besucher des Parks den Berg in seiner ganzen, monumentalen Urgewalt.
Obwohl die Piper laut GPS noch zehn Kilometer von der Südwand des Denali entfernt ist, dessen Flanken von Eisquadern in der Grösse von Einfamilienhäusern übersät sind, scheint es, als wolle uns die endlose Vertikale aus Schnee und Eis verschlingen. Als der Höhenmesser schliesslich 13.000 Fuss anzeigt, wird es Zeit für Sauerstoffmasken, denn in der kleinen Maschine gibt es keinen Druckausgleich. Als der reine Sauerstoff in die Lungen strömt, kommt nach wenigen Sekunden heftige Übelkeit auf und die Haut beginnt am ganzen Körper zu prickeln. Aber das atemberaubende Panorama, das uns zu bedeutungslosen Staubkörnern degradiert, entschädigt für alle Mühen, die es kostet hierherzukommen. Am Ende umkreisen wir den strahlend weissen Gipfel in rund 6.500 Metern Höhe. Ein unvergessliches Erlebnis.
Ausgangspunkt für einen Besuch des Nationalparks ist Anchorage, das traurige Berühmtheit erlangte, als die Stadt am 27. März 1964 beim sogenannten Karfreitagsbeben regelrecht ausradiert wurde. Auch Anchorages Flughafen wurde damals zerstört. Heute ist der Ted Stevens International Airport wichtigstes Alaska-Gateway, von dem bis zu eine Million Besucher jährlich in die acht Nationalparks des Staates strömen oder die raue Westküste auf einer Kreuzfahrt erkunden. Den Denali selbst erreicht man von Anchorage aus am bequemsten mit den Panoramawagen des McKinley Explorers – die rund neunstündige Fahrt durch unberührte Wildnis gehört dabei dank des Panoramablicks auf das gewaltige Denali-Massiv zu den spektakulärsten Zugreisen der Welt.
Rund 120 Kilometer südlich von Anchorage liegt in der Resurrection Bay mit Seward gleichzeitig einer der wichtigsten Kreuzfahrthäfen, von wo Passagierschiffe regelmässig die ruhigen Gewässer der insgesamt knapp 1.600 km langen Alaska-Inside-Passage ansteuern, die sich entlang der sogenannten Alaska Panhandle und weiter über die Westküste British Columbias bis nach Washington State erstreckt inklusive des legendären Glacier-Bay-Nationalparks mit seinen kalbenden Eisfeldern.
Eine der traditionsreichsten Reedereien im Alaska-Geschäft ist die 1871 gegründete Holland America Line, die Touristen seit mehr als 70 Jahren in die entferntesten Winkel der abgelegenen Küstenregion bringt. Tatsächlich gibt es kaum etwas Beeindruckenderes, als Alaska vom Wasser aus zu erleben, denn die zerklüftete Inland-Passage mit Tausenden von Inseln und tiefen Fjorden zählt zu den spektakulärsten Landschaften der Welt. So verbindet etwa die 2004 in Dienst gestellte MS Westerdam im Wochenrhythmus Vancouver mit Seward und steuert dabei auch von der Konkurrenz wenig angefahrene Ziele wie das kleine Örtchen Haines auf der Chilkat-Halbinsel an. Vor Ort geht es dann per Helikopter oder mit dem Hundeschlitten in die umliegende Berg- und Gletscherwelt, auf Fjord- und sogar Tauchtouren oder mit der Yukon Rail hinauf auf den White Pass.