Malediven für 25 Euro die Nacht ?
- November 3, 2019
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Resortinseln sind für Urlauber, der Rest der Malediven für die Einheimischen – diese Trennung ist inzwischen zum Teil aufgehoben. Auf Dhigurah zum Beispiel, wo Touristen deutlich günstiger übernachten und schnorcheln können.
Die Malediven haben so viele Resortinseln wie kein anderes Land auf der Welt. Allein 2018 und 2019 kamen noch mal rund 40 neue zu den ohnehin schon 120 bestehenden hinzu. Doch es gibt auch ein Urlauberleben jenseits der Resortgrenzen, nämlich auf einer der etwa 180 Einheimischen-Inseln.
Längst nicht auf allen ist Tourismus erlaubt, wohl aber auf Dhigurah im Süd-Ari-Atoll. Die wenige Kilometer lange Insel verfügt nur über ein paar bewohnte Blocks mit einfachen Häusern. Teerstraßen? Fehlanzeige. Stattdessen sandige Pisten mit teils riesigen Schlaglöchern. Entsprechend langsam kurvt man hier herum, die meisten Leute sind zu Fuß, per Rad oder Moped unterwegs. Doch als Gepäcktransportmittel hat das Auto durchaus seine Berechtigung.
Ziel ist das TME Retreats keine 500 Meter vom Mini-Hafen entfernt, an dem das Schnellboot aus der Hauptstadt Malé anlegt. Das einstöckige Gästehaus mit wenigen Apartmentsatelliten verfügt über 42 Betten und ein nach allen Seiten offenes Restaurant mit einem lokalen und vor allem ausreichenden Essensangebot. In der zum sandigen Garten offenen Lobby stellen ein Billardtisch und ein Bücherregal das Entertainmentangebot dar, auf Wunsch werden Massagen organisiert.
Kurz: Kein Vergleich zu den Resortinseln mit ihrem teils überbordenden Programmangebot, aber typisch für das halbe Dutzend weiterer Gästehäuser in der Nachbarschaft. Wobei das TME Retreats das Erste seiner Art war. Gerade einmal neun Jahre sind vergangen, seit diese Tourismusform in der streng muslimischen Republik überhaupt erlaubt ist. Deutlich günstiger ist sie allemal: nicht nur die Zimmer mit Preisen ab 25 Euro pro Nacht, sondern auch Essen, Getränke, Andenken.
Mehr fürs Geld und mehr Kontakt
Urlauber auf Einheimischen-Inseln bekommen also mehr fürs Geld – und mehr Authentizität: Menschen von der jeweiligen Insel arbeiten in den Gästehäusern – auf den Resortinseln sind es überwiegend Arbeitskräfte aus anderen asiatischen Ländern. Auch junge Frauen sind an der Rezeption im Einsatz, was auf den muslimisch geprägten Malediven einer kleinen Revolution gleicht. Die Arbeitslosigkeit in dem Inselstaat ist hoch, und die Preissteigerungen durch den Tourismus auch – viele Malediver sind daher mit ihren Familien nach Indien gezogen.
Zu den Einblicken ins „echte Leben“ gehören auch die Baustelle nebenan und Staubwolken, wenn mal wieder ein Motorradfahrer vorbeiknattert. Und ja, vor allem beim Spaziergang in die grüne Südhälfte sieht man einigen Abfall, auch jenseits der immensen Dorfmüllhalde. Es gibt eben keine Gärtner-Armada wie auf den Resortinseln, die alles Weggeworfene, Angewehte, Angeschwemmte wegräumen.
Wobei es ohnehin schon viel besser geworden sei mit der Sauberkeit, berichten die Insulaner übereinstimmend. Besonders gilt das für das sandige „Horn“ der Dreiecksinsel, wo sich dank schattenspendender Cabanas und anderer Picknickmöbel vor allem freitags und samstags die einheimischen Familien gerne aufhalten. Und zunehmend auch Touristen.
Walhai Fernando kommt vorbei
Beim Bad im 30 Grad warmen, klaren Wasser kommt ein Boot vorbei. „Habt ihr die Mantas eben gesehen?“, ruft eine Frau aufgeregt. Nein, leider nicht – so nah am Ufer? Der nächste Tag ist in puncto Manta-Sichtung erfolgreicher. Nicht zuletzt dank der „Island Divers“. Die Tauchschul-Guides, fast alle hier geboren und aufgewachsen und nach stressigen Jobs aus der Hauptstadt Malé zurückgekehrt, kennen sich beim Animal Watching aus.
Für rund 60 Dollar pro Person organisieren die jungen Männer mehrstündige Trips auf ihrem hochmodernen Tauchboot – auf Resortinseln kostet eine solche Exkursion das Doppelt- bis Dreifache. Nach einer Stunde haben sie auffällige Bewegungen entdeckt und scheuchen ihre Gäste ins Wasser, die Zeugen eines „Manta-Balletts“ werden: Ein halbes Dutzend der bis zu vier Meter großen Planktonfresser „tänzeln“ friedlich um die Schnorchler herum, ein unvergessliches Schauspiel.
Dhigurah ist ohnehin für seine rund 40 Tauchgründe bekannt. Bob, ein Ex-Marine aus den USA, kommt seit 2010 zweimal pro Jahr hierher und sagt: „Die Tauchgründe sind grandios, und die Insel ist herrlich ruhig.“
Tags darauf, bei einem weiteren Schnorchelgang, hat Walhai Fernando seinen Auftritt: Maruhabaa! Guten Tag! Mit acht Metern ist der in einer Datenbank von über 300 Walhai-Individuen gelistete Riesenfisch ein überdurchschnittlich großes Exemplar. Heute sind glücklicherweise nur ein paar Boote am Start. Oft tummeln sich am Dhigurah-Südufer, einem der wenigen Spots weltweit, wo das ganze Jahr über die weltgrößten Fische zu sehen sind, 20 und mehr Boote, die meisten von Resortinseln.
Die Folge: mehr Trubel im Wasser, weniger Sicht, weniger Erlebnis. Nun sind es jedoch nur gerade mal zehn Schnorchler, die dem eindrücklichen, aber auch sehr entspannt dahinziehenden Fernando nahe kommen. Und an der Riffkante gibt es zudem Schildkröten, Riffhaie und Tausende bunte Fische um die Korallen zu sehen. Die Steinkorallenstöcke sind teils erschreckend gebleicht – vor allem seit 2016, als weltweit Rekordtemperaturen gemessen wurden, sterben auch vor den Malediven immer mehr Korallen ab.
Kein Nachtleben, dafür Mocktails
Nach den Unterwassererlebnissen ist Faulenzen angesagt. Sonnenbaden am quasi menschenleeren kilometerlangen Strand? „Gerne“, sagt man im TME Retreats, das wie alle Unterkünfte nicht direkt am Strand, sondern ein paar Meter hinter einem Grüngürtel liegt, „aber bitte hinter der Holzwand, die 200 Meter weiter aufgebaut wurde. Aus Respekt vor den Einheimischen.“
Ein großes Thema, das merkt man. Daher auch das Schild: „No bikini beyond this point“. Dass man sich auf den Straßen trotz enormer Hitze bedeckt hält, ist klar, erst recht vor der kleinen Moschee und der Schule. Kinder laufen in ihren Schuluniformen über die Straße, Leute kochen in ihren Innenhöfen, in den kleinen Cafés und Läden zieht man vor dem Betreten die Schuhe aus.
Was es auf Dhigurah nicht gibt: Nightlife und Alkohol. Ahmed, der indische Kellner im TME Retreats, serviert dafür eigens kreierte Mocktails. Und so sieht dann ein Abend aus: in der einen Hand einen alkoholfreien Drink, in der anderen eine Shisha, die Füße im Sand, leise Musik im Ohr. Und dass es WLAN „nur“ in der Lobby gibt, ist eher eine Wohltat als eine Einschränkung.
Dieser Artikel ist am 1. November auf der Homepage Spiegel Online erschienen.
Fotos: Copyright Spiegel Online
https://www.spiegel.de/reise/fernweh/malediven-jenseits-der-resorts-maruhabaa-walhai-a-1293737.html
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