Einzigartige & inspirierende Werte
- Mai 28, 2019
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Zum UNESCO-Weltkulturerbe Stiftsbezirk St. Gallen zählen nicht nur der barocke Bibliothekssaal und die prachtvolle Kathedrale. Auch das Wunder der schriftlichen Überlieferung gehört dazu. Denn an keinem Ort in Europa sind frühmittelalterliche Handschriften und Urkunden in nur annähernd vergleichbarer Dichte erhalten. Ein Paradebeispiel: der St. Galler Klosterplan. Das historische Dokument wird nun der Öffentlichkeit präsentiert.
Die neue Dauerausstellung «Wunder der Überlieferung» im Stiftsarchiv öffnet den Blick auf eine Lebenswelt, wie sie der reichste klösterliche Urkundenschatz Europas offenbart. Bedeutendstes Exponat ist der weltberühmte St. Galler Klosterplan. Es handelt sich dabei um die weltweit älteste noch existierende Architekturzeichnung aus dem frühen Mittelalter und gilt als ältester noch vorhandener Bauplan Europas und umfangreichste Visualisierung eines Baukomplexes aus dem Mittelalter.
Der Klosterplan, der aus fünf zusammengenähten Pergamentteilen besteht, hat eine Grösse von 112 auf 77.5 cm. Er zeigt Grundrissdarstellungen von ungefähr 40 Gebäudekomplexen, verzeichnet jedoch auch Gartenanlagen, Zäune, Mauern und Wege. Die Bauwerke sind vor allem durch ihre rund 333 Beschriftungen klar zu bestimmen, ebenso die Klosterkirche, das Skriptorium, eine Unterkunft der Gastmönche, Dormitorien, der Speissaal, die Küche, das Back- und Brauhaus, der Krankenbereich und eine grosse Anzahl an Wirtschaftsbauten und Handwerksbetrieben. Eine aufwendige Multivision erschliesst den Plan als Bühne klösterlichen Lebens. Erstmals wird die breite Öffentlichkeit dabei einen Blick auf das Original werfen können.
Evangelium Longum
Seit Kurzem zeigt die Stiftsbibliothek im neu eröffneten stimmungsvollen Gewölbekeller die Dauerausstellung «Gallus und sein Kloster». Sie spannt den Bogen vom Untergang der Antike über die klösterliche Überlieferung bis zur barocken Fürstabtei und zur Auflösung des Klosters in der Zeit Napoleons. Ein erster Schwerpunkt liegt auf der irischen Mission und dem Leben des heiligen Gallus. Ein zweiter Fokus gilt der karolingischen Gozbert-Basilika mit ihren aussergewöhnlichen Kapitellen. Höhepunkt ist das «Evangelium Longum» mit dem Prachteinband von Mönch Tuotilo, das um 895 entstanden ist und von vielen Experten als das schönste Evangelium der Welt bezeichnet wird. Keine zweite Handschrift dieser Zeit ist so gut erhalten und zeitnah so gut dokumentiert wie das «Evangelium Longum». Es trägt die grössten Elfenbeintafeln, die aus der Antike überliefert sind und einst Karl dem Grossen gehörten.
Am 12. März wird ausserdem die Sommerausstellung der Stiftsbibliothek mit dem Titel «Vater für die Armen – Otmar und die Anfänge des Klosters St. Gallen» eröffnet. In diesem Jahr jährt es sich zum 1 300. Mal, dass Otmar im Jahr 719 als erster Abt die von Gallus gegründete Gemeinschaft zu einem eigentlichen Kloster ausgebaut hat.